Myzel-basierte Baumaterialien
Stellen Sie sich vor, ein uralter Wald könnte sprechen – nicht in Worten, sondern in knisternden Verknüpfungen aus Pilzfäden, dem Myzel. Dieses lebendige Netzwerk, das den Boden durchzieht, die Wälder zusammenhält und Wurzeln verbindet, ist längst mehr als nur das Bindeglied im Ökosystem. Es ist die Basis für eine Revolution im Bauwesen, in der Wände so lebendig sind wie die Bäume, aus denen sie geboren werden. Myzel-basierte Baumaterialien sind wie die tragende Seele eines Pilz-Dschungels, der aus dem Boden schießt, um Gebäude zu nähren, ohne die Umwelt zu ermüden.
Während traditionelle Baustoffe wie Zement und Asphalt Meere aus CO₂ in die Atmosphäre pumpen, agiert Myzel wie ein biologicaler Superheld, der CO₂ auffängt und in seine filamentösen Strukturen speichert. Dabei ist sein Wachstumkönnen vergleichbar mit einem hyperaktivem Oktopus, der jede Ecke eines Bauwerks mit feinsten Fäden umwickelt – so stark, dass es kaum mehr einer Stahlbewehrung bedarf. Die Struktur, die daraus entsteht, ähnelt einem filigranen, aber festen Spinnennetz, das das gleiche Gewicht trägt wie ein Betonskelett, nur dass es lebendiger, selbstreinigend und anpassungsfähiger ist.
Ein faszinierendes Beispiel für den Einsatz dieser Technologie ist das Pilz-geformte Innenwandsystem in einer Krefelder Forschungsstation. Hier dienten Myzel-Panelen nicht nur als Isolierung, sondern auch als lebende Filter, die Schadstoffe aus der Luft binden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Dämmstoffen, die irgendwann in den Müll wandern, wächst das Myzel ständig nach, wächst in Einklang mit den Baustrukturen und kann bei Bedarf auch wieder abgebaut oder umgestaltet werden. Es ist, als würde eine Pflanze dauerhaft ihre eigene Architektur davonschieben, sich an Veränderungen anpassen und im besten Fall sogar regenerieren.
Was das Material besonders macht, ist seine Fähigkeit, wie ein Pilz unter dem Laub die ideale Umgebung fürs Wachstum zu finden. Die feuchte, stickstoffreiche Umgebung in einer Konstruktion sorgt dafür, dass das Myzel sprießt und die Baustruktur festigt. Das Lebewesen selbst wird zur tragenden Säule, in der es wächst, wie ein Baumstamm, nur in umgekehrter Richtung. Dieses ständige Wachstum bedeutet auch, dass das Material nach der Konstruktion noch lebendig bleibt und auf Umweltbedingungen reagieren kann, etwa Temperaturänderungen durch Anpassung der Struktur. Es ist, als ob die Gebäude selbst Geschichten erzählen würden, je nachdem, wie sie sich im Laufe der Jahre verändern.
Technologisch betrachtet, sind Myzel-basierte Baustoffe eine Art bio-inspiriertes Smart-Material, das durch seine filamentöse Orientierung selbstheilende Eigenschaften aufweist. Risse, die auftreten, wenn das Gebäude plötzlich einem unerwarteten Druck ausgesetzt ist, werden durch das nachwachsende Myzel verschlossen. Dies ähnelt einem Wundverschluss bei lebenden Organismen – nur ohne ärztliche Eingriffe. Für Fachleute eröffnet sich hier ein Panorama an Anwendungen, das vom nachhaltigen Rohstoff-Panel bis hin zu biodegradierbaren Brücken reicht, bei denen das Material im Laufe der Zeit sogar die Aufgabe übernimmt, mit der Umwelt zu interagieren und Ressourcen zurückzugeben.
Ein überraschendes Detail ist die Fähigkeit des Myzel, aus Abfällen neue Materialien zu kreieren. In einer Pilotanlage in Toronto wurde Myzelextrudat aus landwirtschaftlichen Reststoffen genutzt, um modulare Bauelemente herzustellen. Diese Pilz-Elemente sind nicht nur funktionale Baustrukturen, sondern auch lebendige Ökosysteme, die Insekten und Mikroorganismen auflockern, die wiederum die Biodiversität in urbanen Räumen ankurbeln. Es ist fast, als würden man Pilz-Häuser bauen, die auch als Mini-Ökosysteme und urbane Co-Kreationsplattformen fungieren, anstatt nur passive Hüllen zu sein.
Doch Myzel ist kein Allheilmittel. Es verlangt Geduld, spezialisierte Kulturtechniken und manchmal das Gefühl, mit einem pilzartigen Lebewesen in Symbiose zu leben. Manche Experten vergleichen die Arbeit mit Myzel-Baustoffen mit dem Jonglieren von wachsenden Kakteen – unberechenbar, aber gleichzeitig faszinierend. Die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Architektur und Natur wird bei diesem Ansatz immer fließender, gerade weil die Grenzen zwischen lebendigem Bauwerk und Natur zunehmend verschwimmen. Hier wächst keine Steinwand, sondern ein lebendes, atmendes Organ, das Raum für Innovationen schafft – eigenständig, anpassbar, unvorhersehbar und doch tief verwurzelt im alten, weisen Netzwerk des Waldes.